Neues BGH-Urteil zur „fiktiven Abrechnung“ stärkt Autofahrer den Rücken
Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Kunden einer Autoversicherung gestärkt. In dem aktuellen Fall wurde wegen der „fiktiven Abrechnung“ verhandelt. Nach einem Unfall steht Versicherten schon seit längerem Geld zu, auch wenn sie den Wagen nicht unmittelbar reparieren lassen. Wie Stiftung Warentest berichtet, gibt es eine Neuerung: Die Kunden dürfen auch die fiktiven Kosten einer Markenwerkstatt in Rechnung stellen. Bislang hatten die Autoversicherungen bei der fiktiven Abrechnung auf eine preiswertere freie Werkstatt verwiesen.
In dem aktuellen Fall entbrannte zwischen einem Mercedes-Halter und seiner Vollkasko-Versicherung ein Streit, welche Werkstattkosten bei einer „fiktiven Abrechnung“ gerechtfertig sind. Der Kunde wollte seinen Mercedes nicht umgehend reparieren lassen, sondern eine fiktive Abrechnung auf der Basis eines Gutachtens durchführen. Auch ohne Rechnung gibt es zwei Möglichkeit: Entweder beziffert ein Sachverständiger den Schaden oder eine Werkstatt stellt einen Kostenvoranschlag aus.
Streit um 3.000 Euro
In einer Mercedes-Fachwerkstatt wurde dem Kläger Repaturkosten von 9.400 Euro prognostiziert. Das wollte die KFZ-Versicherung nicht akzeptieren und gab seinerseits einen Kostenvoranschlag bei einer freien Fachwerkstatt in Auftrag. Das Ergebnis waren voraussichtliche Reparaturkosten von 6.400 Euro. Dass die Autoversicherung 3.000 Euro weniger als gefordert zahlen wollte, veranlasste den Kunden schließlich zur Klage.
Das BGH-Urteil (Az.: IV ZR 426/14) fällt nun zu Gunsten des Kunden aus. Der Versicherer muss die höheren Kosten der Markenwerkstatt übernehmen. Für zukünftige ähnliche Fälle stellte das Gericht aber drei Voraussetzungen auf, von denen mindestens eine erfüllt sein muss:
- Erstens muss der Halter den Nachweis erbringen, dass die Reparatur des Fahrzeugs ausschließlich in der Markenwerkstatt sachgemäß und komplett durchgeführt werden kann.
- Oder es handelt es sich zweitens um einen Wagen, der noch in einem neuen Zustand ist.
- Oder drittens hat der Kunde keine Erfahrungen mit einer freien Fachwerkstatt und bislang immer eine Marken-Werkstatt aufgesucht.
Nicht alle Kunden profitieren
Eine Markenwerkstatt kann nicht aufgesucht, wenn sich ein Kunde vertraglich an eine bestimmte Partnerwerkstatt des Autoversicherers gebunden hat. So kann auch kein Kostenvoranschlag einer Markenwerkstatt eingereicht werden. Durch den Verzicht auf freie Werkstattwahl können aber immerhin die Beiträge für die KFZ Versicherung deutlich reduziert werden. Ob die Ersparnis die geringere Freiheit aufwiegt, kann jeder Verbraucher für sich selbst entscheidet.
Wie die Kanzlei Momberger & Niersbach erläutert, besteht nur ein Anspruch auf eine „fiktive Abrechnung“, wenn der Kunde das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt (BGH, Urteil vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07). Falls das Fahrzeug nicht verkehrstauglich ist, muss es innerhalb dieses Zeitraums (teil)repariert werden. Ausnahmen von der Sechs-Monate-Regel können gemacht werden, wenn der Kunde beispielsweise nach der Geburt eines Kindes seinen Zwei-Sitzer nicht mehr weiter nutzen möchte.
Kosten werden netto abgerechnet
Die fiktive Abrechnung sieht nach § 249 BGB die Erstattung des Netto-Betrags vor. Die Mehrwertsteuer erhält der Kunde nur in Höhe der Teilrechnung, falls er das Fahrzeug verkehrstauglich reparieren lässt. Versicherte sollten laut Rechtsanwalt Philipp Greiner außerdem unbedingt darauf achten, dass der Autoversicherer bei der fiktiven Abrechnung auch für UPE-Zuschläge auf Ersatzteile und Verbringungskosten aufkommt.
Die fiktive Abrechnung ist außerdem bis zur Höhe der Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeugs begrenzt. Dementsprechend muss der Versicherer nicht mehr zahlen, als der Wagen vor dem Unfall wert war. Der Wert wird durch ein Sachverständigengutachten festgestellt.